Montag, 15. Dezember 2025 GastroNews – Magazin für Profis
Küche & Trends

Female Connoisseurs: Wie Frauen die Spitzengastronomie verändern (und warum das alle angeht)

Die Sternewelt bleibt 2025 fest in männlicher Hand – aber nicht mehr lange. Immer mehr Frauen durchbrechen die gläserne Decke der Spitzengastronomie und bringen frischen Wind in Küchen, Konzepte und Führungskulturen. Warum dieser Wandel für Gastronomen und Hoteliers im DACH-Raum weit mehr ist als nur eine Frage der Gleichberechtigung, zeigt ein Blick auf Zahlen, Trends und beeindruckende Vorbilder.

1. Status Quo: Die gläserne Decke bröckelt (langsam)

Stellen Sie sich eine klassische Profiküche vor: viel Hitze, wenig Worte, klare Hierarchie. Wer sich hier durchsetzen will, braucht Ausdauer – und traditionell waren das vor allem Männer. Auch 2025 ist die Bilanz ernüchternd: In Deutschland stehen laut einer Analyse des Magazins Stern von 341 Sterneköchen gerade einmal 14 Frauen am Herd. Das sind weniger als vier Prozent. In Österreich sieht es kaum besser aus: Nur drei von 82 Michelin-ausgezeichneten Küchenchefs sind weiblich, wie DerStandard berichtet.

Die Gründe dafür sind komplex. Viele Spitzenköchinnen erzählen von einem rauen Umgangston, der kaum Raum für Fehler lässt, und von patriarchalen Strukturen, die seit Jahrzehnten bestehen. Hinzu kommt die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf – ein Punkt, den auch 3-Sterne-Koch Kevin Fehling offen anspricht, wenn er sagt: „Frauen entscheiden sich für Familie und Kinder – und die Gastronomie ist sehr arbeitsunfreundlich wegen der Arbeitszeiten.“

Und doch: Die gläserne Decke bröckelt. Es gibt sie, die Leuchttürme. Und sie werden sichtbarer. Sie führen Restaurants, die neue Gästegruppen anziehen, Teams, die lieber bleiben, und Küchen, die nachhaltiger arbeiten. Für eine Branche im Fachkräftemangel ist das mehr als ein Symbol: Es ist eine reale Chance.

2. Der Trendbegriff: Wer sind die „Female Connoisseurs“?

Der Begriff „Female Connoisseurs“ tauchte erstmals 2018 im Food Report von Hanni Rützler auf und beschreibt etwas deutlich Größeres als „Frauen am Herd“. Es geht um Frauen, die gastronomische Räume neu definieren – von der Sterneküche über die Barwelt bis zu Food-Tech-Start-ups. Laut einem Beitrag auf Ktchnrebel haben diese Frauen eines gemeinsam: Sie kopieren nicht das traditionelle, oft aggressive Küchenbild, sondern bringen eigene Werte in die Branche ein.

Rützler beschreibt die Entwicklung so: „Die zarten Spuren des Gender Shift in der Food- & Beverage-Branche haben sich zu immer breiteren Tracks erweitert.“ Und weiter: „Sie [Frauen] arbeiten mehr im Team und setzen verstärkt auf die Themen Nachhaltigkeit, Zukunft und Gesundheit.“

Female Connoisseurs sind also Gestalterinnen. Sie folgen nicht den alten Mustern, sondern prägen neue: mit grünen Konzepten, mitarbeiterfreundlichen Strukturen und einer Vision, die über den nächsten Service hinausreicht. Für Betriebe ist diese Perspektive spannend – nicht aus moralischen Gründen, sondern weil sie sich wirtschaftlich auszahlt.

3. Leadership: Schluss mit dem Kasernen-Ton

Viele Gastronomen kennen das klassische Bild: Der Chef brüllt, der Sous-chef nickt, und ganz unten kämpft ein Azubi ums Überleben. Für die Gen Z ist das ein Albtraum – und einer der Gründe, warum die Branche Schwierigkeiten hat, Nachwuchs zu finden.

Female Connoisseurs zeigen, dass es anders geht. Die Wiener Küchenchefin Parvin Razavi etwa setzt in ihrem Restaurant &flora auf eine 4-Tage-Woche und drei freie Tage am Stück. Ihr Team besteht mehrheitlich aus Frauen – und sie sagt selbstbewusst: „Dass mein Team zum Großteil aus Frauen besteht, darf gerne als klares Statement in der Gastronomie-Szene interpretiert werden.“

Interessant ist: Auch männliche Spitzenköche begrüßen diese Veränderung. Kevin Fehling etwa sagt über seine Erfahrungen mit weiblichen Teammitgliedern: „Ich ziehe Frauen sogar vor, weil sie disziplinierter sind und mehr Ruhe hereinbringen.“ Für Christoph Kunz ist klar: „Frauenpower gehört mehr an den Herd. Frauen kochen subtiler und schöner.“

Was bedeutet das für die Praxis?

Kurz gesagt: Eine neue Führungskultur bringt langfristig mehr Stabilität.

Viele Küchenchefinnen setzen auf

– Teamverständnis statt Drill

– Organisation statt Adrenalin

– psychologische Sicherheit statt Angstkultur

Das Ergebnis: weniger Fluktuation, weniger Krankenstände, mehr Loyalität. Und genau das ist ein Kernfaktor, wenn es darum geht, Betriebe in Zeiten des Fachkräftemangels zukunftsfit zu machen.

4. Auf dem Teller: Nachhaltigkeit als weibliche Domäne?

Beobachter wie Hanni Rützler sind überzeugt: Wenn Frauen Küchen leiten, verändert sich auch das, was auf den Teller kommt. Viele Female Connoisseurs setzen verstärkt auf Plant-based, Zero Waste und Gesundheit – nicht aus Trendgründen, sondern aus Überzeugung.

Ein bekanntes Beispiel ist die Zürcher Spitzenköchin Zizi Hattab, deren Restaurants Kle und Dar komplett plant-based arbeiten. Beide Konzepte sind mehrfach ausgezeichnet und tragen den Grünen Stern des Guide Michelin – ein klares Statement für nachhaltige Küche. Artichox stellt sie als prägende Figur der Schweizer Szene vor.

Ein weiteres Feld, in dem weibliche Akteure dominieren, ist Food-Tech. Viele Gründerinnen – oft Mütter oder Quereinsteigerinnen – arbeiten an Lösungen für Verpackungsmüll oder Lebensmittelverschwendung. Daphna Nissenbaum von TIPA Verpackungen ist hier ein oft genanntes Beispiel.

Der rote Faden: Nachhaltigkeit wird greifbar, weil sie nicht als Zusatz, sondern als Grundhaltung verstanden wird. Für Gastronomen kann das bedeuten: Wer weibliche Führung fördert, fördert gleichzeitig moderne, zukunftsfähige Konzepte – und spricht Zielgruppen an, die bewusst konsumieren.

5. Best Cases DACH: Vorbilder machen Mut

Ein Blick auf die DACH-Region zeigt: Die großen Namen werden mehr – und ihre Strahlkraft wächst.

Deutschland

Cornelia Fischer gelang 2025 der vielbeachtete Einstieg in die Sternewelt, Douce Steiner hält seit Jahren zwei Sterne und betreibt ein Traditionshaus, und Rosina Ostler begeistert mit ihrer Arbeit im Alois in München.

Österreich

Neben Parvin Razavi, die als Newcomerin viel Aufmerksamkeit erhält, bleibt Lisl Wagner-Bacher als Grande Dame der österreichischen Küche eine wichtige historische Referenz – sie hat gezeigt, wie beständig weibliche Spitzenleistung sein kann.

Schweiz

Zizi Hattab hat die Zürcher Szene maßgeblich geprägt, während Tanja Grandits in Basel seit Jahren beweist, dass Farb- und Aromenküche eine eigene Handschrift haben kann – und dass weibliche Führung auch in der absoluten Spitze erfolgreich ist.

International

Und im internationalen Vergleich bleibt Anne-Sophie Pic ein Leuchtturm: Als einzige Frau in Frankreich mit drei Michelin-Sternen setzt sie seit Jahren Maßstäbe und gilt weltweit als Benchmark für weibliche Exzellenz.

Was zeigt dieser Überblick? Vorbilder wirken. Sie ziehen junge Talente an, verändern das Selbstbild der Branche und senden eine klare Botschaft: Frauen gehören nicht nur dazu – sie setzen neue Standards.

Fazit / Ausblick

Die zentrale Antwort auf die Leitfrage lautet: Der Aufstieg der Female Connoisseurs ist kein Nice-to-have, sondern ein wirtschaftlicher Vorteil. Frauen verändern nicht nur, wer in der Küche steht – sondern wie gekocht, geführt und gedacht wird. Mehr Teamgeist, mehr Nachhaltigkeit, mehr Zukunftsorientierung: All das sind Faktoren, die Betriebe gerade heute dringend brauchen.

In den nächsten Jahren dürfte die Entwicklung weiter Fahrt aufnehmen. Je sichtbarer erfolgreiche Küchenchefinnen werden, desto selbstverständlicher wird weibliche Exzellenz – und desto attraktiver wird die Branche für junge Talente.

Wenn Sie jetzt in Ihrem Betrieb Strukturen schaffen, die auch Frauen langfristig halten, sind Sie nicht nur fairer, sondern auch klüger unterwegs. Und vielleicht kocht in Ihrer Küche bald eine der nächsten Female Connoisseurs, die die Branche prägen werden.

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