Montag, 15. Dezember 2025 GastroNews – Magazin für Profis
Management & Recht

Mitarbeiter-Magnet 4-Tage-Woche: Die Lösung gegen den Fachkräftemangel in der Gastro?

Die 4-Tage-Woche sorgt in vielen Branchen für Gesprächsstoff – doch in kaum einem Bereich wäre sie so sehnlich erwartet wie in der Gastronomie. Viele Teams arbeiten am Limit, während Bewerber knapp sind. Kann eine moderne Arbeitszeitgestaltung wirklich helfen, neue Talente anzuziehen und bestehende Mitarbeitende zu halten? Der Blick in die Praxis zeigt: Ja – aber nicht ohne Hürden.

1. Der Ruf nach Balance: Warum die Branche umdenken muss

Stellen Sie sich vor, Sie stehen an einem Freitagabend im vollbesetzten Restaurant, die Terrasse platzt aus allen Nähten – und gleichzeitig ist die halbe Servicebrigade seit Monaten am Anschlag. Klingt vertraut? Der Fachkräftemangel gehört inzwischen zu den größten Bremsklötzen der Gastronomie und Hotellerie. Viele Mitarbeitende haben während der Pandemie das Handtuch geworfen oder sich in andere Branchen verabschiedet. Und die, die geblieben sind, wünschen sich eine neue Art von Arbeitskultur.

Besonders deutlich wird das bei der Generation Z. Für sie zählt planbare Freizeit oft mehr als ein paar Euro mehr auf dem Lohnzettel. Zeit mit Freunden, Sport, Erholung – all das ist längst kein „Nice-to-have“ mehr, sondern ein zentraler Faktor bei der Jobwahl. Kein Wunder also, dass die 4-Tage-Woche in Branchenmedien gerne als „Gamechanger“ bezeichnet wird.

Tatsächlich wünschen sich laut einer Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung 81 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland ein solches Modell. In den Stellenanzeigen der Gastronomie ist davon aber wenig zu sehen: Laut einer Analyse der Bertelsmann Stiftung wird die 4-Tage-Woche nur in etwa 0,12 Prozent der Ausschreibungen aktiv beworben. Ein riesiges Potenzial liegt also brach – zumindest aus Sicht des Employer Brandings.

2. Modelle im Check: 4 Tage à 10 Stunden oder weniger Arbeit?

Wenn von der 4-Tage-Woche gesprochen wird, lohnt sich ein genauer Blick auf das „Wie“. Denn es gibt zwei Modelle, die oft verwechselt werden – mit völlig unterschiedlichen Auswirkungen auf Teams und Betriebe.

Modell A: 40 Stunden auf vier Tage verteilt

Das klassische Modell, vor allem in den USA bekannt, setzt auf 4×10 Stunden.

Vorteile liegen auf der Hand:

Doch in der Praxis bedeutet das: Zehn Stunden am Pass, am Buffet oder im Housekeeping sind eine echte Kraftprobe. Das deutsche Arbeitszeitgesetz (ArbZG) erlaubt zwar bis zu 10 Stunden pro Tag, aber nur mit sauberer Pausenregelung. Überschreitungen sind tabu. Nach einem langen Samstagabendservice kann das schnell eng werden.

Viele Köchinnen und Köche würden wohl sagen: „Vier Tage Vollgas sind hart, aber drei Tage am Stück frei geben mir mein Leben zurück.“ Genau so klingt es in vielen Erfahrungsberichten.

Modell B: Reduzierte Stunden – 32 bis 36 Wochenstunden

In Österreich und Teilen Deutschlands wird eher über dieses Modell gesprochen. Hier wird die Arbeitszeit reduziert, häufig auf 32 oder 36 Stunden, teils bei vollem Lohnausgleich, teils mit leichten Anpassungen.

Der Vorteil: echte Entlastung. Wer weniger Stunden arbeitet, hat mehr Energie, weniger Stress und im Idealfall weniger Krankheitstage.

Aber: Für Betriebe bedeutet dieses Modell höhere Lohnkosten pro Stunde und oft die Notwendigkeit, zusätzliche Mitarbeitende zu finden, um Öffnungszeiten abzudecken. Personalplanung und Dienstpläne werden komplexer – hier hilft häufig nur digitale Unterstützung, wie Branchenexperten im Umfeld von Zeiterfassungstools wie e2n betonen.

3. Best Practices: Wer es vormacht (Nobelhart, 25hours & Co.)

Einige Betriebe im DACH-Raum haben den Schritt bereits gewagt – und zeigen, wie unterschiedlich der Weg zur 4-Tage-Woche aussehen kann.

25hours Hotel The Royal Bavarian (München)

Das Haus zählt zu den prominentesten Vorreitern im deutschsprachigen Raum. Die Umstellung erfolgte bereits 2021/2022 – mutig, mitten in einer Zeit, in der viele Hotels eher ums Überleben kämpften. Doch General Manager Frank Beiler zog im Gespräch mit dem Gastgewerbe Magazin eine klare Bilanz:

„Seitdem sind unsere Mitarbeitenden ausgeglichener und produktiver. Die Anzahl der Bewerbungen ist gestiegen, während die Personalabgänge gesunken sind.“

Trotz leicht gestiegener Personalkosten betrachtet das Hotel die Umstellung als Investition – in Gesundheit, Stabilität und Employer Branding.

Nobelhart & Schmutzig (Berlin)

Das Berliner Fine-Dining-Restaurant setzt ebenfalls auf eine klare New-Work-Philosophie. Das Ziel: „Wir müssen die Gastronomie so gestalten, dass Menschen diesen Job auch noch mit 40 oder 50 Jahren machen können und wollen.“ Die 4-Tage-Woche ist dort kein Marketing-Gag, sondern Teil eines ganzen Systems, bei dem Prozesse, Mise en Place und Teamkommunikation entsprechend angepasst wurden.

Coda (Berlin) und weitere Beispiele

Auch andere bekannte Häuser – und überraschend viele Handwerksbäckereien – testen reduzierte Modelle. Die Erkenntnis: Wenn Abläufe klar strukturiert sind, können auch kleinere Teams profitieren. International schaute die Branche früh auf Shake Shack, die das Modell testeten – ein Zeichen, dass das Thema global relevant ist, auch wenn die DACH-Praxis inzwischen im Vordergrund steht.

Für viele Gastronomen ist spannend: Die Vorreiter haben nicht einfach einen neuen Dienstplan eingeführt. Sie haben ihre gesamte Organisation überdacht – von Lieferzeiten über Mise en Place bis zur Teamgröße.

4. Die Vorteile: Bewerberflut und gesündere Teams

Warum funktioniert die 4-Tage-Woche als Recruiting-Booster?

Ganz einfach: Sie macht Betriebe sichtbar. Wer in der Gastro Stellenanzeigen liest, sieht immer wieder die gleichen Versprechen – „familiäres Team“, „geregelte Arbeitszeiten“, „faire Bezahlung“. Die 4-Tage-Woche dagegen springt sofort ins Auge.

Laut Prof. Dr. Simon Werther (Hochschule München) führt das Angebot nachweislich zu mehr Bewerbungen. Im Gastgewerbe keine kleine Sache.

Dazu kommt der gesundheitliche Aspekt. Ein vielzitiertes UK-Pilotprojekt zeigte bis zu 65 Prozent weniger Krankheitstage. Ausgeruhte Mitarbeitende sind freundlicher, konzentrierter und machen weniger Fehler. Das wirkt sich direkt auf Servicequalität und Umsatz aus.

Für gastronomische Teams gilt zudem: Eine erholte Servicekraft braucht weniger Zeit für denselben Gast, eine gut gelaunte Barkeeperin verkauft leichter Upgrades – und ein entspannter Küchenchef führt sein Team souveräner. Produktivität lässt sich nicht nur in Minuten messen.

5. Die Hürden: Kosten, Dienstpläne und Öffnungszeiten

Natürlich ist nicht alles Gold, was nach 3 freien Tagen klingt.

Mehr Kosten?

Vor allem bei reduzierten Wochenstunden (Modell B) steigen die Kosten pro Arbeitsstunde. Wer das Gehalt hält, aber die Stunden kürzt, zahlt mehr – ganz simpel gerechnet.

Mehr Personalbedarf

Wer vier Tage arbeitet, hat automatisch drei Tage frei. Damit müssen mehr Schichten abgedeckt werden, wenn sieben Tage geöffnet sind. Viele Betriebe müssen zusätzliche Mitarbeitende finden – ein paradoxes Problem in Zeiten des Fachkräftemangels.

Komplexere Dienstplanung

Je kürzer die Dienstwochen, desto wichtiger werden digitale Tools und transparente Kommunikation. Die Planung per Excel wird schnell zur Chaosfalle.

Anpassungen für Gäste

Manche Betriebe entscheiden sich für zusätzliche Ruhetage. Das kann sinnvoll sein, bedeutet aber auch Umsatzverluste – je nach Konzept und Standort unterschiedlich dramatisch.

Kurz gesagt: Die 4-Tage-Woche verlangt ein strategisches Konzept, nicht nur einen hübschen Recruiting-Slogan.

Fazit / Ausblick

Die 4-Tage-Woche ist weder Wundermittel noch Risikoexperiment. Sie ist ein starkes Werkzeug – besonders in einer Branche, die um jeden Bewerber kämpft. Die Praxisbeispiele aus München und Berlin zeigen, dass sich die Umstellung lohnt, wenn sie ernsthaft vorbereitet wird und der Betrieb bereit ist, Prozesse neu zu denken.

In den kommenden Jahren dürfte das Modell an Sichtbarkeit gewinnen. Immer mehr Mitarbeitende werden Arbeitsbedingungen aktiv vergleichen – und die Gastronomie, die attraktive Angebote macht, hat die Nase vorn. Wer früh beginnt, sendet ein klares Signal an den Arbeitsmarkt.

Wenn Sie darüber nachdenken, Ihre Arbeitszeitmodelle zu modernisieren, ist jetzt der perfekte Zeitpunkt. Der Wettbewerb um Talente wird härter – und jeder innovative Schritt kann den entscheidenden Vorteil bringen.

Kurz-Check für Ihren Betrieb

---

Hinweis für die Redaktion: Bildideen siehe internes Research-Dokument.

Weitere Bilder