Montag, 15. Dezember 2025 GastroNews – Magazin für Profis
Management & Recht

Der ewige Kampf um Köpfe: Warum der Fachkräftemangel bleibt und wie Gastronomen jetzt gegensteuern

Der Personalmangel in der Gastronomie ist kein vorübergehendes Störfeuer – er ist zur neuen Realität geworden. Viele Betriebe kämpfen gleichzeitig mit leeren Schichtplänen, steigenden Erwartungen der Mitarbeitenden und dem Gefühl, dass der Arbeitsmarkt ihnen davongelaufen ist. Doch es gibt Wege, wie Restaurants und Hotels trotz der Lücke operativ überleben und wieder attraktiv für Bewerber werden.

1. Status Quo: Die Lücke, die blieb

Stellen Sie sich vor, Sie sperren Ihren Betrieb morgens auf – und die Hälfte des Teams aus 2019 fehlt einfach. Genau so fühlte sich die Branche nach Corona an. Dabei war das Problem schon vorher da: Bereits 2018 nannten rund 70 Prozent der Wirte den Personalmangel als größte Herausforderung. Doch dann kam die Pandemie, und die Lücke wurde zum Krater.

2021 verzeichnete das Gastgewerbe laut Destatis ein Minus von rund 23 Prozent an Beschäftigten im Vergleich zu 2019. Ein dramatischer Aderlass, der sich bis heute nicht vollständig geschlossen hat. Viele Betriebe berichten zwar von einer leichten Erholung der Zahlen – aber die besteht häufig aus kurzfristigen Aushilfen oder ungelernten Kräften. Die eigentliche Baustelle bleibt: Der Mangel an ausgebildeten Fachkräften.

Ein Branchenvertreter bringt es treffend auf den Punkt: „Der Arbeitsmarkt hat sich gedreht. Wir sind jetzt Bittsteller bei den Bewerbern, nicht umgekehrt.“ Die Realität im Jahr 2025: Über 45.000 offene Stellen sind aktuell bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet – die Dunkelziffer noch weit höher.

Für Gastronomen heißt das: Öffnungszeiten werden gekürzt, Teams überlasten, Qualitätsstandards geraten unter Druck. Aus „Wir finden niemanden“ wurde „Wir finden niemanden, der wirklich passt“.

2. Wohin sind sie alle verschwunden?

Viele fragen sich: Wo sind die Leute denn geblieben? Die Antwort ist vielschichtig – und für viele Betriebe schmerzhaft.

Während der Lockdowns orientierten sich zahlreiche Köche, Servicekräfte und Baristas um. Branchen wie Logistik, Lebensmitteleinzelhandel oder Verwaltung boten plötzlich sichere Jobs, geregelte Arbeitszeiten und – man staune – Wochenenden frei. Einmal gewechselt, kamen viele nicht zurück.

Hinzu kommt der demografische Wandel. Die Babyboomer verabschieden sich in Rente, gleichzeitig rücken weniger junge Menschen nach. Das ist kein temporärer Effekt, sondern ein strukturelles Problem, das die Branche über Jahre begleiten wird.

Und dann ist da noch das Image – die berühmte Mischung aus langen Schichten, Feiertagsarbeit und Bezahlung, die trotz Erhöhungen des Mindestlohns oft als nicht mehr zeitgemäß empfunden wird. Besonders die Gen Z setzt andere Prioritäten: Freizeit statt Überstunden, Wertschätzung statt Küchentiraden, Perspektiven statt „Schau erst mal, ob du durchhältst“.

Ein Küchenchef formuliert es bitter: „Früher standen sie Schlange für die Ausbildung, heute bin ich froh, wenn der Spüler pünktlich kommt.“

Wer junge Menschen gewinnen will, muss also mehr bieten als ein gutes Teamessen und das Versprechen, dass „es früher auch nicht leichter war“.

3. New Work in der Gastro: Mehr als ein Buzzword

In vielen Branchen ist New Work längst Standard – in der Gastronomie dagegen noch häufig ein Experimentierfeld. Doch die Betriebe, die mutig vorangehen, berichten von spürbaren Erfolgen.

Ein Beispiel: die 4-Tage-Woche. Einige Hotels und Einzelgastronomen haben das Modell getestet – mit überraschend positiven Effekten. Ein Betreiber erzählt: „Seit wir die 4-Tage-Woche eingeführt haben, sind die Krankmeldungen gesunken und die Bewerbungen gestiegen – auch wenn die Personalkosten pro Kopf höher sind.“

Natürlich funktioniert das nicht für jeden Betrieb. Komprimierte Schichten, Anpassungen im Dienstplan und klare Kommunikation sind entscheidend. Aber das Modell zeigt, dass Flexibilität sich auszahlen kann.

Was sonst funktioniert?

HR-Expertinnen formulieren es so: „Geld ist wichtig, aber Freizeit ist die neue Währung. Wer keine flexiblen Modelle anbietet, verliert die Gen Z.“

New Work in der Gastronomie heißt also nicht Kickertisch im Aufenthaltsraum, sondern zeitgemäße Arbeitsbedingungen, Respekt und echte Planungssicherheit.

4. Technik als „neuer Mitarbeiter“

Natürlich: Kein Roboter ersetzt menschliche Gastfreundschaft. Aber klug eingesetzte Technik kann Engpässe abfedern – und viel Stress rausnehmen.

Viele Betriebe setzen bereits auf mobile Ordering-Lösungen. Gäste bestellen per Smartphone, das Team konzentriert sich auf Beratung und Servicequalität. Andere nutzen Handhelds, um Laufwege zu reduzieren und Bestellungen direkt aus dem Biergarten in die Küche zu schicken.

In der Küche unterstützen hochwertige Convenience-Produkte, die trotz Personalmangel eine verlässliche Qualität ermöglichen. Und Serviceroboter? In kleinen Betrieben weiterhin umstritten, aber in größeren Häusern können sie Abläufe wie Abräumen oder den Transport schwerer Platten erleichtern.

Nicht zu vergessen: Reservierungssysteme. Sie reduzieren No-Shows, optimieren Tischbelegung und nehmen Mitarbeitenden den ständigen Telefon-Dauerstress ab.

Wichtig ist, Technik als Werkzeug zu sehen – nicht als Ersatz für Menschen. Sie schafft Freiräume, damit die vorhandenen Mitarbeitenden eben jene Gastfreundschaft bieten können, für die die Branche steht.

5. Recruiting neu gedacht

Wer heute wie 2015 rekrutiert, hat 2025 ein Problem. Die Zeiten der Zeitungsanzeige oder des kleinen Aushangs sind vorbei.

Fachkräfte aus dem Ausland:

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz eröffnet Gastronomen neue Möglichkeiten, Personal aus Nicht-EU-Staaten zu gewinnen – etwa aus dem Westbalkan oder asiatischen Ländern. Das Portal „Make it in Germany“ bietet hierfür praktische Informationen und Checklisten. Für viele Betriebe ist das aktuell der einzige Weg, echte Fachkräfte zu gewinnen.

Quereinsteiger:

Das Motto „Hire for attitude, train for skill“ setzt sich durch. Viele erfolgreiche Betriebe investieren lieber in eine motivierte Persönlichkeit ohne Gastro-Erfahrung als in Fachkräfte, die gar keine Bewerbungen mehr schreiben.

Social Media Recruiting:

TikTok, Instagram & Co. sind längst mehr als Marketingkanäle. Kurze Einblicke in den Arbeitsalltag, Teamvorstellungen oder humorvolle Clips funktionieren besser als jede klassische Stellenanzeige. Junge Menschen wollen sehen, wie es sich anfühlt, bei Ihnen zu arbeiten. Authentizität schlägt Perfektion.

Kurz gesagt: Recruiting ist heute Employer Branding in Echtzeit.

Fazit: Mut zur Veränderung

Der Fachkräftemangel ist gekommen, um zu bleiben – doch er muss nicht zur Wachstumsbremse werden. Die Branche steht an einem Wendepunkt: Wer offen für neue Arbeitsmodelle ist, Technik klug einsetzt und Recruiting professionell betreibt, hat deutlich bessere Chancen, die nötigen Talente zu gewinnen.

Die gute Nachricht: Viele Betriebe zeigen bereits, dass Veränderung funktioniert. Und wenn Sie jetzt anfangen, Ihr Team, Ihre Prozesse und Ihre Arbeitgebermarke aktiv weiterzuentwickeln, sind Sie Ihrer Konkurrenz einen entscheidenden Schritt voraus.

Kurz-Check für Ihren Betrieb

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Hinweis für die Redaktion: Bildideen wie im Research-Dokument hinterlegt.

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